Lambert-Eaton-Syndrom: Symptome - Diagnostische Fallstricke

Alle Texte auf dieser Homepage stellen einen Entwurf dar.

Das Fortschreiten der Entwürfe durch Korrektur oder Hinzufügen von Text dürfen Sie sich ansehen, aber die Texte dürfen nicht kopiert werden. Den Text hier ist eine Übernahme aus meiner vorangegangenen Homepage:
http://lambert-eaton-myasthenisches-syndrom.de/b1.html


 

 

 

Ein Wort vorweg

 

Nicht jeder Patient mit Muskelschwäche leidet an einer neuromuskulären Erkrankung. Wenn die Beschwerden auf LEMS zurückzuführen sind, ist keine Zeit zu verlieren:


 

Mindestens jeder zweite Patient hat LEMS plus Krebs.


 

Eine schnelle Diagnose und sofortige Behandlung insbesondere des Krebses im frühen Stadium sind dringendst angezeigt.


 

Die Muskelschwäche beim LEMS ist belastungsabhängig. Die relative (!) Erholung in Ruhe ist typisch für die Erkrankung. Schwere und Ausdehnung können sich jederzeit, u. U. dramatisch, ändern.

 

 

LEMS ist keine Infektionskrankheit. Unter keinen Umständen kann sich jemand „anstecken". Da die Antikörper im Blut kreisen, darf bei LEMS jedoch kein Blut gespendet werden.    

 

Es ist wahrscheinlich, „dass die meisten Patienten mit LEMS undiagnostiziert sind..."

 

"Mehrere Faktoren verhindern die genaue Ermittlung der tatsächlichen Häufigkeit von LEMS: Bei Patienten mit einem Karzinom werden die LEMS-Symptome möglicherweise irrtümlich einer Kachexie [Abmagerung], einer peripheren Neuropathie oder den Folgen der (Krebs-) Behandlung zugeschrieben. Bei Patienten, deren Karzinom noch nicht offensichtlich ist, werden die Symptome des LEMS eventuell ohne Erklärung abgetan, wenn während der Untersuchung nur geringfügige Schwäche festgestellt wird, oder sie wird womöglich einer Myopathie, einer Neuropathie oder der Myasthenia gravis zugeschrieben. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren ist es wahrscheinlich, dass die meisten Patienten mit LEMS undiagnostiziert sind...Die Atemfunktion ist für gewöhnlich eingeschränkt und gelegentlich werden sie mit Atemversagen eingeliefert."

 

Quelle: Donald B. Sanders, Current Diagnosis and Treatment: Pre- and Postsynaptic Immune Syndromes - Lambert-Eaton Myasthenic Syndrome: Diagnosis and Treatment. In: Annals of the New York Academy of Sciences, Bd. 998 (2003), S. 500-508.

 

 

 

Lambert-Eaton Myasthenisches Syndrom (LEMS)


                                             1. Krankheitsbild

                                             2. Diagnoseverfahren

                                             3. Diagnostische Fallstricke

 

 

1. Krankheitsbild


Beschwerden (Symptome) bei LEMS - mit oder ohne Krebs:


In erster Linie Muskelschwäche und vegetative (autonome) Störungen, zu Beginn der Erkrankung oft bemerkbar als Oberschenkelschwäche/Beckengürtelschwäche und Mundtrockenheit.

 

LEMS ist eine Autoimmunerkrankung (auto = selbst/eigen), d. h. Autoantikörper(AAK) richten sich gegen körpereigenes Gewebe. Bei LEMS sind das Antikörper (AK) gegen Calciumkanäle (CC) vom Typ P/Q am Ende von Nerven, welche u. a. zu „quergestreiften" / willensgesteuerten Muskeln führen. 

 

Funktionstüchtige CC sind eine (von mehreren) Voraussetzung(en), dass ein Bewegungsauftrag des Gehirns beim Muskel ankommen und ausgeführt werden kann.

 

Das körpereigene Reparatursystem kann meist nur ungenügenden Ausgleich für funktionsgeschädigte CC schaffen.

 

Die AK greifen am äußersten Ende eines motorischen Nervs (neur-o-) an, der bis zu dieser Stelle - vorausgesetzt es liegt keine weitere Erkrankung vor - unbeeinträchtigt den zur Muskelarbeit erforderlichen elektrischen Impuls des Gehirns (über das Rückenmark) weiterleitet.

 

Die „LEMS-AK" attackieren also nicht die Muskeln selbst. Die Muskeln sind nicht erkrankt. Die Abnahme des Muskelumfangs beruht auf Mangel an elektrischen Reizen zur Muskelarbeit.


[Synapse]

 

Die LEMS-AK sind nicht die Ursache für den so häufig bei LEMS feststellbaren Lungenkrebs (SCLC). Im Gegenteil: Es gibt Hinweise, dass die AK sich gegen Zellen des Lungenkrebses richten.

Quelle: P. Maddison et J. Newsom-Davis: Favourable prognosis in Lambert-Eaton myasthenic syndrome and small-cell lung cacinoma. The Lancet 1999

 

LEMS gehört zur Gruppe der Neuromuskulären Transmissionsstörungen


Wenn - wie bei LEMS - die Impulsweiterleitung Nerv-Muskel beeinträchtigt ist, spricht man von einer Neuromuskulären Transmissionsstörung. Durch sie kommt es zur  Schwäche (Asthenie) des Muskels (My).

 

LEMS gehört in die Gruppe der Paraneoplastischen Syndrome (PNS). PNS sind neurologische Erkrankungen, die - mit für das jeweilige Syndrom  typischen - Tumoren  einhergehen. Bei LEMS handelt es sich dabei fast ausschließlich um das Kleinzellige Bronchialcarcinom (SCLC), welches zuweilen auch gemeinsam mit weiteren bösartigen „Neubildungen" (malignen Neoplasmen) auftritt.

 

LEMS gehört  n i c h t  zu den Infektionskrankheiten.  Unter keinen Umständen kann sich jemand „anstecken". Da die Antikörper im Blut kreisen, darf bei LEMS jedoch kein Blut gespendet werden. . Beim Empfänger könnten die Antikörper vorübergehend zu Muskelschwäche führen - besonders unverantwortlich bei ohnehin schwerkranken Menschen.


[Schwangerschaft und Geburt]

 

Die äußere Berührung mit Blut von LEMS Betroffenen ist vollkommen 
unproblematisch, sollte aber aus anderen - Ihnen bekannten - Gründen  grundsätzlich vermieden werden (u .a. HIV).

 

Das autoimmune LEMS wird nicht vererbt, sondern individuell im Laufe des - meist
fortgeschrittenen - Lebens „erworben".

 

Es sind bis heute nur rund „zwei Hände voll" Kinder mit LEMS bekannt geworden.

 

Der Auslöser für das Lambert-Eaton Syndrom ist nicht geklärt.

 

Der Vergleich der älteren und neueren Fachliteratur ergibt, dass anscheinend mehr  Männer als Frauen an LEMS erkranken, der Frauenanteil aber zunimmt. LEMS plus Lungenkrebs findet sich in sehr viel höherem Maße bei Rauchern (auch ehemaligen Rauchern). Statistiken belegen: Der Anteil rauchender Frauen wächst seit vielen Jahren. Möglicherweise erklärt das die erkennbare mengenmäßige Annäherung der Anzahl der betroffenen Frauen und Männer - mit Krebs.

 

LEMS ist eine sehr selten erkannte (oder selten diagnostizierte!) Erkrankung.  Die Beschwerden werden von den meisten Ärzten fehl gedeutet.


[Beispiel „Kristi"]

 

2. Diagnose


„Es ist wichtig, bei Myasthenia-gravis-
ähnlicher Symptomatik immer auch an
das Lambert-Eaton-Syndrom als
paraneoplastische Entität zu denken."
(S. Winistörfer et al. 2007)



Zur eindeutigen Sicherung der Diagnose „LEMS“, bzw. zu dessen Ausschluss, 
sollten alle nachstehend aufgezählten Untersuchungen durchgeführt werden.


  • Auswertung der Krankengeschichte (Anamnese),

      

  • Körperliche Untersuchung (die so genannte „Klinik“):

    Oft wenig ergiebig. Ursache: LEMS ist eine belastungsabhängige Erkrankung bei bestehender Grundschwäche. Gegebenenfalls tritt relativ schnell eine die eigentliche Schwäche maskierende Erholung in Ruhe ein.      

    Zu Beginn einer Belastung kann sich die Leistungsfähigkeit zudem für kurze Zeit bessern (gilt als besonders typisch für LEMS – s. weiter unten: EMG.

     LEMS „fluktuiert“: Die Leistungsfähigkeit verschlechtert oder verbessert sich u. U. in kürzester Zeit.

      Ebenso kann sich der Schwerpunkt der Muskelschwäche verlagern.

      Die Symptome bei LEMS sind nicht immer ausschließlich Symptome von LEMS.

        

  • Chemisches Labor

     

    Die Suche nach AK gegen spannungsabhängige Calcium-Kanäle im Patientenblut (AK gegen VGCC Typ P/Q) trägt zur Sicherung der Diagnose bei.
         
    In selteneren Fällen sind trotz LEMS keine Antikörper feststellbar.
        
    Andererseits sind AK gegen VGCC auch bei anderen Erkrankungen gefunden worden.
         
    Es gibt nur einige wenige Labore, die den Assay zur Suche nach bzw. zur Messung der Anzahl der LEMS-typischen Antikörper im Blut durchführen.
        
    Vorsicht: Die Methoden können sich unterscheiden und zu Fehleinschätzungen des Krankheitsverlaufs führen. Was für Myasthenia gravis (AK gegen Acetylcholin-Rezeptoren) in dem nachfolgenden Zitat festgestellt wird, gilt in Bezug auf die unsichere Vergleichbarkeit der Ergebnisse auch besonders für LEMS, da es unterschiedliche Testmethoden (Assays) gibt:
        
    „Fallstricke bei der Interpretation von ACh-R-Antikörper-Befunden.
       
    Die Qualität, mit der AChR-Antikörper bestimmt werden, kann zwischen unterschiedlichen Labors schwanken.
        
    Deshalb sollten ACh-R-Antikörper
       
    - in einem Labor bestimmt werden, das fortlaufend an Ringversuchen
      teilnimmt.
       
    - grundsätzlich immer im gleichen Labor bestimmt werden.
       
    - bei überraschend positivem Befund in einem anderen
      Referenzlabor wiederholt werden, um einen falsch-positiven
      Befund auszuschließen."
       
       Quelle:
       Wiedemann B, Oschmann P, Reiber H (Hrsg.): Neurologische Labordiagnostik. Thieme 2006 ISBN 3-13-136 591-9.

     

 

 

Die Suche nach Lungenkrebs
    
Schon bei geringstem Verdacht auf LEMS muss sofort und intensiv nach dem möglichen Vorliegen von Lungenkrebs gesucht werden: Das kleinzellige Bronchialkarzinom breitet sich sehr schnell aus und bildet Metastasen.
     
Bildgebende Verfahren: CT, FDG-PET, Bronchioskopie.
     
Labor: Krebsmarker im Blut.
   
Auf Anfrage teilte mir der geschäftsführende Leiter von DLD Diagnostika GmbH, Dr. M. Deparade, am 25. Juni 2009 auf Anfrage mit:
  
"...... wir verfolgen die Arbeiten über SOX1-Antikörpern (insbesondere mit der Fragestellung, ob ein SCLC vorliegt oder nicht) mit Interesse. Bis jetzt planen wir aber noch keinen kommerziellen Test dafür"

 

 





                                             

3. Mögliche diagnostische Missverständnisse


Siehe auch Artikel in DGM/Aktuell Wissenschaft und Forschung
[PDF-Dokument].


Lambert-Eaton-Myasthenisches Syndrom (LEMS) und Myasthenia gravis (MG) können sich sehr individuell ausprägen:
Krankheitsbeginn und Verlauf entsprechen nicht immer dem „klassischen“ Bild.


Folgende Untersuchungsmethoden sind diagnoseweisend:


- Anamnese, 
- körperliche Untersuchung mit Funktionstests (die so genannte „Klinik“),
- Chemisches Labor (Antikörper-Titer)
- Pharmakologische Tests mit Auswertung im
- EMG-Labor (elektrische Serienstimulation)


Zusammen angewandt, sichern sie die Diagnose oder schließen sie aus – meistens..


Augensymptomatik (Okuläre Symptome):


Wie der erfahrene Neurologe bei Oberschenkelschwäche differenzialdiagnostisch das Lambert-Eaton-Syndrom in Erwägung zieht, so wird er bei hängendem Augenlid und Doppelbildern (Bewegungsmuskel-Schwäche des Augapfels) an Myasthenia gravis denken. Dahingegen wird im Allgemeinen zunächst das Lambert-Eaton-Syndrom ausgeschlossen, wenn die Augensymptomatik als Anfangs- oder einziges Symptom auftritt. Und doch gibt es Belege für Symptomvarianten bei beiden Erkrankungen.


Autoantikörper


Ein erhöhter Acetylcholinrezeptor-Antikörper (AChR-AK)-Titer ist typisch für die Myasthenia gravis; ohne weitere positive Befunde jedoch kein zwingender Beweis. Es gibt Fälle mit einem Antikörper-Titer entsprechend demjenigen Gesunder und sehr selten ohne nachweisbare AChR-AK.


Ein erhöhter AChR-Antikörper-Titer  kommt ebenfalls gelegentlich beim Lambert-Eaton-Syndrom vor. Und die LEMS-typischen Autoantikörper gegen präsynaptische Calcium-Kanäle (VGCC) finden sich auch nicht ausschließlich beim Lambert-Eaton-Syndrom. Die Fachliteratur liefert entsprechende Belege wie in der folgenden Studie:


Den höchsten AChR-Antikörper-Titer aller Teilnehmer einer Studie mit LEMS- u. MG-Patienten plus Kontrollgruppe (veröffentlicht 2007) wiesen Patienten mit Myasthenia gravis plus Thymom auf. Bei 3 von den 9 Teilnehmern der Untergruppe mit Lambert-Eaton-Syndrom fand sich ebenfalls ein erhöhter AChR-Antikörper-Titer, während die 6 anderen im üblichen Rahmen lagen, oder es waren keine AChR-Antikörper messbar.


Die Ergebnisse dieser – kleinen - Studie sind interessant, Sie sind nicht geeignet, als Laie daraus für sich selbst Schlüsse zu ziehen. Aber sie erweitern sicherlich das diagnostische Blickfeld von Diagnostikern.


Übrigens ist – meines Wissens - keine Krankheit bekannt, die irgendeine Begleiterkrankung des Lambert-Eaton-Syndroms oder der Myasthenia gravis ausschließen würde. Besonders Autoimmunerkrankungen vergesellschaften sich „gern“ mehrfach. So kommt auch das Lambert-Eaton-Syndrom kombiniert mit Myasthenia gravis vor.(overlap syndrome). Jede Erkrankung kann u. U. eine andere „maskieren“.


Weitere diagnostische Erschwernisse


Myasthenia gravis ist zu einem erheblichen Prozentsatz mit einem Thymom verbunden, sehr viel häufiger, als andere Autoimmunerkrankungen und ganz selten ohne Vorliegen dieser Erkrankungen. Auch beim Lambert-Eaton-Syndrom wurde vereinzelt ein Thymom festgestellt. Einige Thymome (Thymuskarzinome) weisen ein extrem aggressives Wachstum auf und metastasieren früh. Die überwiegende Zahl der Thymome ist gutartig.


„Thymuskarzinome .... haben eine besonders schlechte Prognose...und sind nicht mit paraneoplastischen Syndromen vergesellschaftet“ (S Gripp, E Bölke K. Orth 2005). 


Das Lambert-Eaton-Syndrom und die Myasthenia gravis sind paraneoplastische Syndrome. Die operative Entfernung auch eines so genannten “nicht bösartigen“ Thymoms ist gut begründet.


Pharmakologische Tests mit Acetylcholin-Esterasehemmern weisen nach, ob (grundsätzlich) eine neuromuskuläre Störung vorliegt. Tensilon (Edrophonium) i. v. eignet sich besonders gut, weil es schnell und kurz wirkt, Der Tensilon-Test ist Standard bei Verdacht auf Myasthenia gravis.  Pyridostigminbromid (Kalymin, Mestinon), vorwiegend zur symptomatischen Behandlung eingesetzt, lässt ebenfalls diagnostische Rückschlüsse zu.


Beim Lambert-Eaton Syndrom jedoch in geringerem Maße.


Noch immer dauert es im Schnitt 4,5 Jahre, bis zur Diagnose „Lambert-Eaton Myasthenisches Syndrom“, allerdings nicht nur, weil nicht immer alle diagnostischen Möglichkeiten genutzt werden.


EMG-Labor: Elektromyographische Messungen
    
Für die Auswertung von EMG-Messergebnissen gibt es (nicht nur) eine Richtschnur, wie LEMS im ausgeprägten Stadium sich darstellen müsste, in der Praxis sind die Aufzeichnungen aber nicht immer von den Untersuchern eindeutig interpretierbar.
    
Verfahren: Über Elektroden (aufgeklebt oder „genadelt“) wird eine definierte Abfolge von Nervenreizen in definierter Stromstärke ausgesandt. Anhand der aufgezeichneten Muskelantwort können erfahrene Tester ablesen (und hören!), wie z.B. bei mehreren, auf einander folgenden, gleich starken Reizen,die Weiterleitung mit jedem Stromstoß schwächer oder stärker ausfällt sowie wo genau eine Impulsüberleitungsstörung ihren Ursprung hat (prae-, inter- oder postsynaptisch).
    
Bei LEMS ist folgende Besonderheit feststellbar:
Die Kraft eines betroffenen Muskels ermüdet rasch. Auf dem Bildschirm zeigt sich ein so genanntes „Dekrement“. Nach Aufforderung, den Muskel für eine definierte Zeit maximal anzuspannen, nimmt die Kraft für kurze Zeit zu, manchmal um mehrere Hundert Prozent - angezeigt  wird ein „Inkrement“.
    
Unter der Gabe des Kaliumkanalblockers 3,4-Diaminopyiridin (3,4-DAP) verbessert sich die Muskelkraft. Im EMG zeigt sich – dosisabhängig – ein geringeres Dekrement.
   
Unter Acetylcholin-Esterasehemmern, eingesetzt bei Verdacht auf Myasthenia gravis, kann sich auch bei LEMS eine messbare Erhöhung der Muskelleistung ergeben, jedoch geringer als mit 3,4-DAP.